Schiffsgläubigerrechte beim Kauf und Verkauf von Schiffen

Eine der Fragen, die diejenigen, die ein Schiff kaufen wollen, am meisten beschäftigt, ist die Frage, ob sie beim Erwerb des Schiffes für eventuelle Schulden des Verkäufers haften, die an das Schiff gebunden sind, wie z.B. Liegegebühren, Heuerforderungen des Kapitäns und der übrigen Personen der Schiffsbesatzung oder Steuern. In welchen Fällen und unter welchen Bedingungen muss der Käufer für solche Schulden haften und in welchen anderen Sachverhalten können sie nicht von ihm gefordert werden? Diese Frage wird durch die sogenannten Schiffsgläubigerrechte gelöst.

Wann muss ein Käufer für an das Schiff gebundene Schulden haften?

Schiffsgläubigerrechte (auch nicht einschreibpflichtige Schiffspfandrechte oder engl. „maritime liens“) sind die Art von Zahlungsverpflichtungen, die durch die Tätigkeit eines Schiffes entstehen können und deren Gläubiger einen besonderen Schutz für deren Einforderung genießen. Mit anderen Worten: Nur wenn eine Schuld des Verkäufers oder der Vorbesitzer die vorrangige Rechtsnatur der Schiffsgläubigerrechte genießt, kann sie vom Käufer eingefordert werden.

Diese Privilegien ergeben sich aus der Notwendigkeit, den Gläubigern von Seeverkehrsunternehmen bestimmte Sicherheiten zu bieten, da diese Gläubiger aufgrund des internationalen Verkehrs von Schiffen und der Vielzahl der am Betrieb eines Schiffes beteiligten Akteure erhebliche Schwierigkeiten bei der Einforderung von Verbindlichkeiten haben könnten.

Was sind „Maritime liens“ bzw. Schiffsgläubigerrechte?

„Maritime liens“ ähneln der stillschweigenden gesetzlichen Hypothek von Immobilien, d.h. es handelt sich um Kredite, die das Eigentum belasten, ohne dass eine Eintragung in irgendeinem Register erforderlich ist, und können nicht nur durch die Aktivität des Schiffseigners, sondern  auch durch die des Bareboat-Leasingnehmers, des Reeders oder des Managers des Schiffes entstehen. Diese Schiffsgläubigerrechte schützen den Gläubiger insofern, als sie eine bevorzugte Eintreibung im Falle einer Zwangsversteigerung des Schiffes sowie eine Pfändung im Falle der Nichtzahlung ermöglichen.

Derzeit ist diese Figur im Internationalen Übereinkommen über Seerechte und Schiffshypotheken von 1993 (ratifiziert u.a. von Spanien und Deutschland) und im spanischen Seeschifffahrtsgesetz (LNM) geregelt (in Deutschland finden wir die Schiffsgläubigerrechte im § 593 ff. Handelsgesetzbuch).

Die wichtigsten Merkmale von Schiffsgläubigerrechten, nach spanischer Regulierung, sind wie folgt:

  • Wirksamkeit „ope legis“: Anders als bei einer Schiffshypothek, bei der das Sicherungsrecht vertraglich von den Parteien zur Sicherung einer Forderung geschaffen wird, welche sonst nicht mit dem Pfandrecht gesichert wäre, entstehen Schiffsgläubigerrechte aus dem bloßen Rechtsverkehr, d.h. es reicht aus, dass die Forderung besteht und eine der im Übereinkommen von 1993 aufgeführten ist.
  • Vorrang: Diese Gläubigerrechte haben Vorrang vor anderen Gläubigern, wenn der Schuldner nicht über genügend Vermögenswerte verfügt, um seine Schulden zu begleichen. Sie haben auch Vorrang vor Hypotheken und anderen eingetragenen Lasten, und keine andere Forderung darf ihnen vorangestellt werden.
  • Ius persequendi: Schiffsgläubigerrechte verbleiben ungeachtet eines Wechsels des Eigentümers, der Registrierung oder der Änderung der Flagge des Schiffes, solange sie nicht erloschen sind oder die Laufzeit der Sicherheit nicht abgelaufen ist.
  • Verborgene Rechtsnatur: Sie existieren ohne jegliche Öffentlichkeit. Für die Wirksamkeit ist keine Eintragung erforderlich, so dass sie auch dann bestehen können, wenn sich aus dem Register ergibt, dass das Schiff frei von eingetragenen Lasten ist.
  • Vollstreckung: Der Gläubiger kann ohne vorherige Feststellungsklage direkt zum entsprechenden Vollstreckungsverfahren übergehen, d.h. eine Zwangsversteigerung des Schiffes beantragen. Die Zwangsversteigerung eines Schiffes wegen Nichtbezahlung eines Schiffsgläubigerrechts ist außerordentlich schnell und effizient.

Privilegierte Seeforderungen sind in Artikel 4 des Übereinkommens von 1993 aufgeführt:

  1. Heuerforderungen des Kapitäns und der übrigen Personen der Schiffsbesatzung; Forderungen der Träger der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung gegen den Reeder;
  2. Schadensersatzforderungen wegen der Tötung oder Verletzung von Menschen, sofern diese Forderungen aus der Verwendung des Schiffes entstanden sind;
  3. Forderungen auf Bergelohn;
  4. Hafengebühren (einschließlich Liegeplatzgebühren), Kanal- und andere Wasserstraßengebühren sowie Lotsengebühren;
  5. Entschädigung für außervertragliche Sachschäden, die durch den Betrieb des Schiffes verursacht werden, mit Ausnahme von Verlust oder Beschädigung der an Bord des Schiffes befindlichen Ladung, Container und des Gepäcks der Fahrgäste.

Welche Steuerschulden muss der Käufer tragen?

Wie man sieht, sind in der Auflistung der Forderungen, die durch die Schiffsgläubigerrechte abgesichert sind, die Steuern, die auf das Schiff oder seine Tätigkeit erhoben werden, nicht enthalten, so dass der Käufer nicht für die von einem früheren Eigentümer zu zahlende Mehrwertsteuer oder Zulassungssteuer haftet (aber für die Übertragungssteuer, da das spanische Gesetz ausdrücklich die Haftung des Objekts für die Zahlung dieser Steuer vorsieht). Anders verhält es sich, wenn der neue Käufer die Zulassungssteuer zahlen muss, weil er das Recht auf die Steuerbefreiung für Charter verliert.

„Maritime liens“ folgen der im Übereinkommen von 1993 aufgeführten Reihenfolge auch in ihrer Rangordnung, unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem sie entstanden sind. Die Forderungen, die durch die Verfahrenskosten, die bei der Beschlagnahme des Schiffes oder der Vollstreckung und der anschließenden Zwangsversteigerung entstehen sollten, sowie die Kosten, die durch die Beseitigung des gesunkenen Schiffes entstehen können, haben nach spanischem Recht Vorrang vor allen anderen.

Welche Fristen sind bei der Einforderung von Schiffsgläubigerrechten zu beachten?

Aufgrund der Rechtsunsicherheit, die eine solche verdeckte Belastung für Dritte mit sich bringen kann, haben diese spezielle Art von Pfandrechten von Schiffsgläubigern eine begrenzte Laufzeit: Die Garantie erlischt nach einem Jahr, ab dem Datum ihrer Entstehung (außer bei Gehältern, deren Laufzeit mit der Ausschiffung der forderungsberechtigten Besatzungsmitglieder beginnt), so dass sie nach Ablauf dieser Frist nicht mehr vom neuen Eigentümer eingefordert werden können. Darüber hinaus erlischt das spezielle Schiffsgläubigerrecht auch, wenn das Schiff von den Gerichten eines Vertragsstaates gemäß den Anforderungen des Übereinkommens von 1993 veräußert wird. Dies kann natürlich nicht als Erlöschen der durch sie gesicherten Schulden verstanden werden, die nach dem für sie geltenden Recht verjähren oder erlöschen.

Was kann durch die Mängelhaftungsklage eingefordert werden?

Was passiert, wenn nach dem Kauf des Schiffes ein Dritter eine durch das Schiffsgläubigerrecht vorrangige Forderung geltend macht, die vor dem Kauf entstanden ist, und die Pfändung oder Zwangsvollstreckung des Schiffes zu deren Eintreibung verlangt? In diesem Fall muss der Käufer diese Forderung bezahlen und kann sie vom Verkäufer durch die Mängelhaftungsklage einfordern. Da das LNM diesbezüglich nichts vorschreibt, gelten die Bestimmungen des spanischen Zivilgesetzbuches, so dass der Käufer während der Frist von einem Jahr ab dem Kauf vom Vertrag zurücktreten oder vom Verkäufer Schadensersatz verlangen kann; nach diesem Jahr kann er Schadensersatz nur innerhalb eines Jahres ab dem Tag verlangen, an dem er das Schiffsgläubigerrecht entdeckt hat.

Da jedoch der Schaden, der dem Käufer durch das Bestehen einer unbekannten gesicherten Forderung und durch den Zwangsverkauf seines Bootes entsteht, noch höher sein kann als der Wert des Bootes, können im Kaufvertrag höhere Vertragsstrafen für den Fall vereinbart werden, dass ein Dritter eine Forderung im Zusammenhang mit dem gekauften Schiff geltend macht, und sogar Garantien wie eine Bankbürgschaft festgelegt werden.

Was sollte vor dem Kauf berücksichtigt werden?

Aufgrund all dieser Umstände und vor allem in Anbetracht der Stärke und der verborgenen Wirkung dieser Schiffsgläubigerrechte ist es wichtig, diese vor dem Kauf eines Schiffes zu berücksichtigen. Wie wir in unserem Artikel „Kauf und Verkauf von gebrauchten Freizeitbooten“ erklärt haben, ist es unerlässlich, vor der Unterzeichnung eines Kaufvertrags oder einer Anzahlung eine Due Diligence durchzuführen, die es uns ermöglicht, sicherzustellen, dass das Schiff nicht mit verborgenen Schiffsgläubigerrechten belastet ist, da wir uns andernfalls mit einer Forderung für Schulden des Verkäufers oder der vorherigen Eigentümer konfrontiert sehen könnten. Ergibt diese Analyse verdeckte Lasten, ist es ratsam, vom Verkäufer zu verlangen, die offenen Forderungen zu begleichen oder eine Garantie für den Fall zu übernehmen, dass ein Schiffsgläubigerrecht vom Käufer eingefordert wird.

Daher ist es wichtig, dass die Prüfung der Dokumentation und die Vertragsgestaltung von auf diesem Gebiet spezialisierten Anwälten durchgeführt wird, um dem Käufer das Risiko von Ansprüchen aufgrund von Schiffsgläubigerrechten zu ersparen.