CORONA UND ARBEITSRECHT: WICHTIGE FRAGESTELLUNGEN AUF DIENSTGEBER UND DIENSTNEHMERSEITE

Die spanische Regierung hat mit der Verhängung des Notstands und einer Reihe von Gesetzesdekreten auf die Corona-Pandemie reagiert. Im Folgenden möchten wir Ihnen die wesentlichen arbeitsrechtlichen Neuerungen vorstellen, die vom Königlichen Gesetzesdekret 8/2020 vom 17. März eingeführt worden sind. Ziel der Maßnahmen ist es insbesondere, von der Krise betroffenen Unternehmen zu helfen und die jeweiligen Prozesse zu vereinfachen.

1. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten (Art. 5 und 6)

Unternehmen müssen grundsätzlich alternative Arbeitsmöglichkeiten (insbesondere Homeoffice) einrichten, wenn dies technisch und sinnvollerweise möglich ist. Diese Maßnahme muss gegenüber einer Reduktion oder Einstellung der Aktivität Vorrang genießen.

Den Anforderungen der Arbeitsschutzbestimmungen wird in diesen Fällen durch eine freiwillige Risikoevaluierung der Arbeitnehmer genügt.

Arbeitnehmer, die nachweisen können, dass sie sich um die Pflege ihres Ehepartners oder eingetragenem Lebenspartners sowie von Familienangehörigen bis zum zweiten Grad kümmern müssen, haben das Recht, ihre Arbeitszeiten anzupassen und/oder zu verkürzen, wenn dies durch außergewöhnliche Umstände im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 bedingt ist. Das gleiche gilt bei außergewöhnlichen Umständen (Schließung KiTa etc.) aufgrund der Krise. Inhalt und Umfang der Anpassung schlägt dabei zunächst der Arbeitnehmer vor. Das Ersuchen muss dabei gerechtfertigt, vernünftig und verhältnismäßig sein. Mögliche Anpassungen können dabei die Aufteilung/Änderung der Arbeitszeit, Schichtwechsel, flexiblen Arbeitszeiten, ein Wechsel des Arbeitsortes, ein Wechsel der Funktionen etc. sein.

Ebenfalls kann eine Reduzierung der Arbeitszeit (bis zu 100%) verlangt werden, die mit einer entsprechenden Gehaltskürzung einhergeht. Dies muss dem Unternehmen 24 Stunden im Voraus mitgeteilt werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind gehalten, angesichts der außergewöhnlichen Umstände eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden.

2. Änderungen beim Verfahren zur Aussetzung oder Einschränkung der Arbeitszeit von Arbeitsverträgen (ERTE; Art. 22-24)

Es wird grundsätzlich nach dem Grund für die Einleitung des Verfahrens unterschieden: a) Entweder aufgrund höherer Gewalt oder b) aufgrund wirtschaftlicher, technischer, organisatorischer und produktionsbedingter Gründe. Beide Verfahren sind nunmehr vereinfacht worden. Es ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob die Auswirkungen, die das Unternehmen zur Einleitung des Verfahrens veranlassen, unmittelbar durch die Corona-Pandemie bedingt sind (bspw. Unternehmen, die aufgrund des Notstandsdekrets ihren Betrieb einstellen mussten) oder nur sehr unmittelbar die Auswirkungen spüren. Um die besonderen Erleichterungen des Verfahrens wegen höherer Gewalt in Anspruch nehmen zu können, muss die Betroffenheit ggf. entsprechend nachgewiesen werden.

Als Fälle von höherer Gewalt werden u.a. Situationen behandelt, die auf einem Rückgang der Geschäftstätigkeit aufgrund des Virus beruhen und folgende Szenarien mit sich bringen: Aussetzung oder Annullierung der Tätigkeiten, vorübergehende Schließung von der Öffentlichkeit zugänglichen Räumlichkeiten, Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs und der allgemeinen Bewegungsfreiheit, Lieferungsdefizite, die die Ausübung der normalen Aktivität ernsthaft verhindern oder in dringenden und außerordentlichen Situationen aufgrund der Ansteckung eines Mitarbeiters oder von der Gesundheitsbehörde angeordneten präventiven Isolierungsmaßnahmen.

Das Verfahren für ein ERTE aufgrund höherer Gewalt gestaltet sich nunmehr wie folgt:

a) Einleitung auf Antrag des Unternehmens, dem ein Bericht über den Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Geschäftstätigkeit infolge von COVID-19 und ggf. entsprechende Belege beizufügen sind. Das Unternehmen muss die Arbeitnehmer über den Antrag informieren und den Bericht und die sonstigen weiteren Unterlagen vorab an die Arbeitnehmervertretung übermitteln.
b) Die Arbeitsbehörde prüft das Vorliegen von höherer Gewalt.
c) Die Arbeitsbehörde muss den Antrag innerhalb von fünf Tagen bescheiden (ggf. ist zuvor eine Stellungnahme der Arbeits- und Sozialversicherungsinspektion einzuholen).
d) Das Unternehmen darf dann über die Aussetzung von Verträgen oder die Verkürzung der Arbeitszeit entscheiden, mit Wirkung ab dem Datum des Ereignisses, das die höhere Gewalt auslöst (rückwirkend).
e) Die Stellungnahme der Arbeits- und Sozialversicherungsinspektion, deren Einholung für die Arbeitsbehörde fakultativ ist, ist innerhalb einer nicht verlängerbaren Frist von fünf Tagen auszustellen.

Für die Dauer eines ERTE aufgrund höherer Gewalt wird der Sozialversicherungsbeitrag des Unternehmens (nach entsprechendem Antrag) um 100 % gekürzt, wenn das Unternehmen am 29. Februar 2020 weniger als 50 Beschäftigte hatte bzw. um 75% bei mehr als 50 Mitarbeitern zum Stichtag. Für die Arbeitnehmer hat diese Kürzung keine Auswirkungen, die Beiträge für den betreffenden Zeitraum gelten in jeder Beziehung als geleistet.

Auch das Verfahren für ERTE aufgrund wirtschaftlicher, technischer, organisatorischer und produktionsbedingter Gründe wurde vereinfacht. Trotz der besonderen Situation ist nach den Erfahrungen der ersten Tage damit zu rechnen, dass die Arbeitsbehörden viele Anträge unter dieser Kategorie behandeln werden. Für diese ERTE sind keine Kürzungen der Sozialversicherungsbeiträge möglich.

Die Arbeitnehmer beziehen während des ERTE Arbeitslosenunterstützung (unabhängig aus welchem Grund das Verfahren eingeleitet wird). Dies gilt auch, wenn sie noch nicht die minimale Einzahlungszeit erfüllt haben. Die Zeit der Beziehung der Arbeitslosenunterstützung aufgrund des Corona-Virus wird nicht auf die Ansprüche für einen späteren Bezug von Arbeitslosengeld angerechnet.

Die geschilderten außerordentlichen Maßnahmen im Bereich des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts finden nur Anwendung, wenn sich das Unternehmen verpflichtet, die Beschäftigung der Arbeitnehmer für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Datum der Wiederaufnahme der regulären Tätigkeit aufrechtzuerhalten (6. Zusatzbestimmung).

3. Selbständige (Art 17)

Selbstständigen, deren Aktivität durch die Notstandserklärung eingestellt wurde oder deren Umsatz aufgrund der Krise um mehr als 75% zurück gegangen ist (Vergleich Monat Antragsstellung gegenüber dem Durchschnitt der vorigen sechs Monate), wird das Verfahren wegen Tätigkeitsunterbrechung erleichtert (zunächst für einen Monat). Für diese Zeit gelten alle Beiträge als geleistet und die Zeit wird auf spätere Verfahren wegen Tätigkeitsaussetzung nicht angerechnet.