MÜNDLICHE TESTAMENTE – LÄNDERVERGLEICH: DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH, SCHWEIZ

In unserem Artikel über Testamente in Zeiten des Coronavirus wurde die spanische Gesetzesregelung in diesem Zusammenhang untersucht. Welche Möglichkeiten bieten hingegen andere Rechtssysteme?

Im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz) ist ein solches „Seuchentestament“ (oder wie es im spanischen Recht genannt wird: „Testament im Falle einer Epidemie“) nicht mehr vorgesehen. In unseren Nachbarländern wird heutzutage hingegen nur noch eine ähnliche Form des spanischen „Testaments in Todesgefahr“ reguliert. Je nachdem welches konkrete Recht wir prüfen, gibt es leichte Unterschiede hinsichtlich der Szenarien, wann ein solches Sondertestament aufgesetzt werden kann oder was als Ausnahmesituation, die diese außerordentliche Form rechtfertigt, angesehen wird.

Wenn man bedenkt, dass sich die Rechtsordnungen des deutschen Rechtskreises im Allgemeinen aus ähnlichen oder gleichen Ursprüngen speisen, ist es nicht überraschend, dass die Formulierungen der Gesetzbücher (BGB, ABGB und ZGB jeweils) in Bezug auf das Nottestament, oder früher noch Seuchentestament, gewisse Parallelen aufweisen. Zumindest in der heutigen Fassung.

Die erste Version des § 2250 BGB (deutsches Bürgerliches Gesetzbuch) aus dem Jahr 1900, die bis 1938 galt, bezog sich noch auf den „Ausbruch einer Krankheit“, die es erschwerte, einem Richter oder Notar bei der Testamentserrichtung anwesend zu sein, sodass eine mündliche, vor Zeugen ausgeführte, Errichtung möglich war. Auch der alte § 597 ABGB (österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) aus 1914 sah vor, dass „bei letzten Anordnungen, welche auf Schifffahrten und in Orten, wo die Pest oder ähnliche ansteckende Seuchen herrschen, errichtet werden, sind auch Personen, die das vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, gültige Zeugen“. Mündliche Testamente waren in der Neuzeit in Österreich nicht verbreitet, obwohl in der Wiener Stadtordnung bereits 1526 diese Testamentsart in Notfällen oder naher Todesgefahr anerkannt wurde. Was jetzt im spanischen Recht debattiert wird, war damals im österreichischen Recht schon klar: wenn Gefahr einer Ansteckung bestand, war die gleichzeitige Anwesenheit beider Zeugen nicht erforderlich. Diese Sonderregelung des Schiffs- und Seuchentestaments trat jedoch mit dem Jahresende 2004 außer Kraft.

Die Inspiration für die liberalere moderne Fassung der §§ 2249 und 2250 BGB kommt allerdings aus dem schweizerischen Recht. Artikel 506 ZGB (schweizerisches Zivilgesetzbuch) zeichnet sich durch zwei Hauptmerkmale aus: einerseits müssen außerordentliche Umstände gegeben sein, die es dem Erblasser verhindern, auf ein notarielles oder handschriftliches Testament zurückzugreifen; andererseits eine besondere Formgültigkeit, die sich an die Notsituation oder Ausnahmesituation anpasst: die Intervention von zwei Zeugen (bzw. die Nicht-Intervention eines fachkundigen Juristen oder eines offiziellen Beamten).

Das mündliche Testament bestand vor Aufnahme in das ZGB schon in früheren kantonalen Gesetzen, die als Vorbild dienten. Sie unterschieden sich hauptsächlich nur in der Anzahl von Zeugen, vor denen der Erblasser sein Nottestament abzugeben hatte (BGE 104 II 68, S. 71 E. 2b – in Fargnoli, I. et al., 2017).

Die älteste Regulierung der Moderne ist jedoch die des ABGB. Die früheren Artikel hierzu (§§ 597 bis 599 ABGB alt), die sich mit dem Testament in Todesgefahr oder Seuchen befassten, sind zwar weggefallen, sodass nun § 584 ABGB für das Nottestament wie folgt greift: Droht aus Sicht des letztwillig Verfügenden unmittelbar die begründete Gefahr, dass er stirbt oder die Testierfähigkeit verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag, so kann er seinen letzten Willen in Gegenwart von zwei Zeugen fremdhändig (allographisch) oder mündlich erklären. Die Eignung der Zeugen findet sich in §§ 587 und 588 ABGB, dabei können auch mündige Minderjährige Zeugen sein, nicht hingegen Erben oder Vermächtnisnehmer, die im Testament mit einer Zuwendung bedacht werden und dadurch befangen wären (unfähige Zeugen sind auch deren nächsten Verwandten oder Partner). Eine solche mündliche letztwillige Verfügung muss durch die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen bestätigt werden, widrigenfalls diese Erklärung des letzten Willens ungültig ist. Ein so erklärter letzter Wille verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit und gilt als nicht errichtet. Im Zweifel ist damit auch der durch das Nottestament erfolgte Widerruf einer früheren letztwilligen Verfügung aufgehoben.

Das Nottestament unterscheidet sich von den ordentlichen österreichischen Testamentsarten (§§ 577 ff. und § 585 ABGB) demnach durch die Notlage, die niedrigere Anzahl an Zeugen und natürlich der Tatsache, dass es von dem Testierenden mündlich angeordnet werden kann.

Auffällig im Vergleich zu den anderen Rechtsordnungen, die vorliegend behandelt werden, ist, dass das Nottestament in Österreich nicht nur bei Lebensgefahr in Betracht gezogen werden kann sondern auch wenn dem Erblasser droht, seine Fähigkeit zu testieren zu verlieren.

In der Schweiz bezieht sich der Notfall auf eine nahe Todesgefahr, eine Verkehrssperre, Epidemien oder Kriegsereignisse. Der außerordentliche Umstand, der im § 506 ZGB erwähnt wird, fordert, dass der Erblasser zudem verhindert ist, sich anderer Errichtungsformen zu bedienen. Prinzipiell bedeutet dies, dass der Testierende nicht auf andere Testamentsarten (öffentliche oder eigenhändige Verfügung) zurückgreifen kann. Laut Absatz 2 des zitierten Artikels muss der Testierende seinen letzten Willen vor zwei handlungsfähigen, nicht direkt verwandten Zeugen (s. Ausschließungsgründe § 503 ZGB) erklären und diese beauftragen, seiner Verfügung die nötige Beurkundung zu verschaffen. Artikel 507 ZGB erfordert von den Zeugen, dass sie unter Angabe von Ort und Datum der Errichtung diese in Schrift verfassen und ohne Verzug bei einer Gerichtsbehörde niederlegen.

Eine Besonderheit der schweizerischen Regelung ist die sehr kurze Gültigkeit des Nottestaments. Sobald es dem Erblasser nachträglich möglich wird, sich einer der anderen Verfügungsformen zu bedienen, verliert das mündliche Testament nach 14 Tagen von diesem Zeitpunkt an gerechnet seine Gültigkeit (§ 508 ZGB).

In Ausnahmesituationen können auch in Deutschland unter erleichterten Voraussetzungen (außerordentliche) Testamente errichtet werden. Im deutschen BGB sind drei Nottestamente vorgesehen: das Nottestament vor dem Bürgermeister, das Nottestament vor drei Zeugen und das Nottestament auf See (§§ 2249 ff. BGB). Das sogenannte Drei-Zeugen-Testament (§ 2250 BGB) setzt folgendes Szenario voraus: a) der Testierende befindet sich an einem Ort, der derart abgesperrt ist (im weitesten Sinne), dass die notarielle Testamentserrichtung erheblich erschwert ist; b) dass die Absperrung infolge außerordentlicher Umstände besteht; dabei ist der Kreis unbeschränkt, es können polizeiliche, militärische Maßnahmen, Aufruhr, Naturkatastrophen, usw. sein.

Der Testierende hat sodann zwei Möglichkeiten: er kann das Bürgermeister-Testament (manchmal auch Gemeindetestament genannt) nach § 2249 BGB wählen oder eine mündliche Erklärung vor drei Zeugen abgeben. Letzteres insbesondere dann, wenn der Erblasser sich in Todesgefahr befindet. Dabei reicht es, wenn alle Zeugen die Besorgnis haben, dass die Testamentserrichtung vor einem Notar oder Bürgermeister wegen der nahen Todesgefahr voraussichtlich nicht möglich sein wird. Dieses mündliche Testament muss von den Zeugen niedergeschrieben werden (hierbei gelten die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes, insb. bzgl. Ausschließungsgründe, s. § 6 BeurkG). Ähnlich wie im österreichischen Recht kann die Besorgnis der Todesgefahr in diesem Sinne der Besorgnis des nahen Eintritts der Testierunfähigkeit angeglichen werden (RG-Räte u. Bundesrichter, Johannsen, Kregel, 2018), wenn zu befürchten ist, dass die Testierunfähigkeit voraussichtlich bis zum Tode des Erblassers ununterbrochen oder nur mit kurzen Unterbrechungen fortdauern wird, welche die Möglichkeit nicht gewährleisten, noch ein Testament zu errichten.

In § 2252 BGB wird bestimmt, dass die erwähnten Nottestamente eine Gültigkeitsdauer von drei Monaten haben. Verstreicht diese Zeit und lebt der Erblasser noch, gilt das (Not-)Testament als nicht errichtet. Der Beginn und der Lauf der Frist sind jedoch gehemmt, solange der Erblasser außerstande ist, ein Testament vor einem Notar zu errichten. Wird der Testierende nach dem Ablauf der Frist für tot erklärt oder wird seine Todeszeit nach den Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes festgestellt, so behält das Testament seine Gültigkeit, wenn die Frist zu der Zeit, zu welcher der Erblasser nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, noch nicht verstrichen war.

Interessant im deutschen Recht ist die Option des gemeinschaftlichen Nottestaments (§ 2266 BGB), wonach ein gemeinschaftliches Testament nach §§ 2249 und 2250 BGB auch dann errichtet werden kann, wenn die dort vorgesehenen Voraussetzungen nur bei einem der Ehegatten vorliegen.

Obwohl auch in diesem Zusammenhang sich das Sprichwort „andere Länder, andere Sitten“ bewährt, gibt es auch Gemeinsamkeiten in der Normierung von Nottestamenten: es sind mündliche Erklärungen zulässig, die Hinzuziehung von Zeugen ersetzt (zumindest zeitweise) die Bekundung durch andere Urkundspersonen und die Gültigkeitsdauer solcher letztwilligen Verfügungen ist eingeschränkt. Alle Rechtsprechungen der drei Länder haben außerdem gemeinsam, dass Formfehler sehr ernst genommen werden und meist in Ungültigkeitsurteilen der Testamente enden. In dieser Hinsicht ist es somit wichtig, die genauen Formalitäten der jeweiligen Rechtssysteme zu beachten.