SCHIEDSVERFAHREN: NEUES SZENARIO?

Es besteht kein Zweifel daran, dass die durch das Coronavirus (COVID-19) verursachte Gesundheitskrise überall auf der Welt zu drastischen Entscheidungen geführt hat und dass die Welt der Schiedsgerichtsbarkeit davon ebenso betroffen ist wie viele andere Bereiche.

1. Auswirkungen von COVID-19

Es stimmt zwar, dass die Schiedsgerichtsbarkeit über Flexibilität verfügt, die es ihr erlauben würde, gewisse Einschränkungen zu vermeiden und einen Stillstand in offenen Fällen zu verhindern, ohne der Gesundheit der betroffenen Personen zu schaden, aber Tatsache ist, dass die Parteien ihren Wohnsitz in unterschiedlichen Ländern haben können, in denen unterschiedlich einschneidende Maßnahmen verordnet worden sein können, wodurch das erste Szenario zunächst komplex wurde.

Bereits seit Beginn der Pandemie litten die Schlichtungsfälle in Asien unter den verordneten Mobilitätseinschränkungen, die es praktisch unmöglich machten, an angesetzten Anhörungen teilzunehmen, die dadurch ausgesetzt oder verschoben und an einen sichereren Orten verlegt werden mussten. In den meisten Fällen war die Aussetzung des Verfahrens die Regel.

Anwälte, Zeugen, beteiligte Parteien, Schiedsrichter, Sachverständige... alle haben unter den Folgen der Mobilitätsbeschränkungen sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene gelitten. Jeder von uns musste die von jeder der Schiedsinstitutionen ergriffenen Massnahmen überprüfen, um den Stand des Verfahrens in Erfahrung zu bringen.

Die Schlichtungsinstitutionen in Spanien ergriffen parallel zu den öffentlichen Verwaltungen Maßnahmen die genau denen des Königlichen Erlass 463/2020 vom 14. März zur Ausrufung des Alarmzustands für die Bewältigung der durch das COVID-19 verursachten gesundheitlichen Krisensituation entsprachen.

So hat der Schieds- und Schlichtungsgerichtshof von Valencia als Beispiel für unser nächst gelegenes Gericht die allgemeine Aussetzung der Fristen an den oben genannten Königlichen Erlass und dessen Aufhebung bis zur Beendigung des Alarmzustands geknüpft. Eine einfache Lösung, aber unserer Meinung nach unzureichend.

Mehrere Schlichtungsinstitutionen in Spanien haben erklärt, dass sie damit rechnen, weiterhin tätig zu sein. Die häufigste und offensichtlichste Maßnahme, die in Bezug auf Arbeitnehmer ergriffen wurde, war die Einführung der Fernarbeit. Natürlich gibt es an allen Fronten eine notwendige Anpassungszeit. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es einen Rückstand bei den Untersuchungen im Zusammenhang mit laufenden Fällen und als auch Verzögerungen bei der Kommunikation geben wird.

Aus internationaler Sicht haben es der Internationale Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer oder der Internationale Schiedsgerichtshof von London den Schiedsrichtern und betroffenen Parteien überlassen, ob sie das Verfahren aussetzen oder nicht, und sogar ob sie die technologischen Neuerungen nutzen wollen um das Verfahren voranzubringen. Dies kann und sollte der Weg in die Zukunft sein.

2. Offene Möglichkeiten

Seit geraumer Zeit werden in verschiedenen Foren die Notwendigkeit des technischen Fortschritts in der Welt der Schiedsgerichtsbarkeit diskutiert, und diese sind ein wesentliches Instrument, damit Schiedsverfahren gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit bevorzugt eingesetzt werden können.

Die Schiedsgerichtsbarkeit muss immer einen Schritt voraus sein, um ihren Wettbewerbsvorteil nicht zu verlieren.

Im Ausland und in führenden Schlichtungszentren haben wir einen innovativen Ansatz gesehen, der uns ermutigt, Lösungen ins Auge zu fassen, nicht nur um die aktuelle Gesundheitskrise zu überwinden, sondern auch um das Tempo der Streitbeilegung zu erhöhen, die Kosten der Verfahren zu senken und die Vorteile der neuen Technologien zu nutzen.

Das Szenario, welches uns die Coronakrise hinterlassen hat, ist in menschlicher und wirtschaftlicher Hinsicht eine Katastrophe epischen Ausmaßes, aber es impliziert auch per se Möglichkeiten der Innovation, die sich sonst eventuell nicht ergeben hätten.

Es ist klar, dass unabhängig davon, ob die neuen Technologien in die Verfahrensregeln der Schiedsgerichte aufgenommen werden, durch eine Übereinkunft zwischen den Parteien und dem Schiedsrichter ihre Nutzung vereinbart werden kann.

Daher ist es nicht ungewöhnlich, sich eine unmittelbare Zukunft vorzustellen, in der Anhörungen auf Distanz stattfinden könnten. Es besteht kein Zweifel daran, dass die von der spanischen Regierung erwogenen Deeskalationsphasen und die Asymmetrie dieser Phasen erneut zu Unsicherheiten bei den Verschiebungen führen werden, die wir mit Kreativität überwinden müssen.

Der Einsatz dieser virtuellen Anhörungen könnte Zeit und Kosten reduzieren, insbesondere im Zusammenhang mit Reisen und Unterbringung. Es ist bereits üblich, dass die Zeugen in den Verfahren ihre Aussagen per Videokonferenz machen. Dies könnte möglicherweise so erweitert werden, dass alle an einem Fall beteiligten Parteien virtuell bei einer Anhörung anwesend sein können.

All diese Fragen müssen in dem neuen Schiedsgerichtsverfahren berücksichtigt werden.

3. Neues Szenario: jetzt handeln.

Unseres Erachtens nach liegt es auf der Hand, dass die Vertragsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise mittelfristig zunehmen werden. Höhere Gewalt und "rebus sic stantibus" werden innerhalb des Streits geltend gemacht, um die Unmöglichkeit der Erfüllung von Verpflichtungen geltend zu machen.

In wirtschaftlich und finanziell angespannten Zeiten werden die Unternehmen ihre Anstrengungen jedoch zunächst auf ihre Fähigkeit zur Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit richten und mittelfristig versuchen, zu einem späteren Zeitpunkt auf die Meschanismen Streitbeilegung zurückzugreifen.

Es mag für Unternehmen jedoch ratsamer sein, ihre Schlichtungsoptionen eher früher als später in Betracht zu ziehen, insbesondere angesichts der Verpflichtung einiger Institutionen, in diesen Zeiten normal weiter zu arbeiten.

Dies wird natürlich von den wirtschaftlichen Kapazitäten abhängen, aber der Verlust wirtschaftlicher Kapazitäten, den die andere Partei erleiden könnte, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Auf der anderen Seite macht es die massive und fast unvermeidliche mittelfristige Zunahme der Fälle als Folge der aktuellen Ereignisse ratsam, damit zu beginnen, sobald die Nichteinhaltung und die Möglichkeit von Maßnahmen festgelegt sind.

Stand: 11.05.2020