SONDERREGELUNGEN FÜR VERSAMMLUNGEN UND JAHRESABSCHLÜSSE

Der am 14. März 2020 in Spanien ausgerufene Alarmzustand zur Bewältigung der durch COVID-19 verursachten Krise hat zu schweren Einschränkungen der Freizügigkeit von Bürgern geführt, die das Funktionieren von Gesellschaften und anderen juristischen Personen erheblich beeinträchtigen.

Mittels Königlichem Gesetzesdekret 8/2020 vom 17. März (Artikel 40), geändert durch Königliches Gesetzesdekret 11/2020 vom 31. März, wurden die folgenden außerordentlichen Maßnahmen verabschiedet:

  • Während der Dauer des Alarmzustandes können Versammlungen der Geschäftsführung sowie Gesellschafterversammlungen per Video- oder Telefonkonferenz abgehalten werden, selbst wenn dies in der konkreten Gesellschaftssatzung nicht vorgesehen ist. Dies setzt voraus, dass sämtliche Teilnehmer über die notwendigen technischen Mittel verfügen. Ferner muss der Schriftführer die Teilnehmer eindeutig identifizieren und dies entsprechend im Sitzungsprotokoll festhalten, das nach der Sitzung unverzüglich an sämtliche Teilnehmer per E-Mail zu übersenden ist.
  • Zudem kann die Geschäftsführung (nicht aber die Gesellschafterversammlung!) während der Dauer des Alarmzustands Beschlüsse im schriftlichen Verfahren treffen, selbst wenn die Satzung dies nicht vorsieht, sofern der Vorsitzende dies beschließt oder mindestens zwei Mitglieder des Geschäftsführungsorgans dies beantragen (es bedarf daher nicht mehr der Zustimmung sämtlicher Mitglieder). Obgleich das System flexibel ist und verschiedene Modalitäten zulässt, wird das Verfahren in der Regel durch einen schriftlichen Antrag eingeleitet, den der Vorsitzende an alle Mitglieder übersendet. Die Mitglieder haben ihre Stimme innerhalb einer Frist von 10 Tagen ab Erhalt abzugeben (sofern die Satzung nichts anderes vorsieht). Im Sitzungsprotokoll ist die von jedem Geschäftsführer abgegebene Stimme aufzuzeichnen.

Diese Regelungen gelten auch für Vereine, Genossenschaften und Stiftungen sowie für alle anderen Ausschüsse. Die Sitzungen gelten als am Sitz der juristischen Person abgehalten

Sofern die Gesellschafterversammlung bereits vor dem 14. März 2020 einberufen wurde, kann das Geschäftsführungsorgan von einer Durchführung absehen oder den Versammlungsort oder die Versammlungszeit ändern. Dies setzt voraus, dass die Geschäftsführer mindestens 48 Stunden vorher eine entsprechende Ankündigung auf der Homepage der Gesellschaft (sofern diese im Handelsregister eingetragen wurde) oder in dessen Ermangelung im Staatsanzeiger veröffentlichen. Entscheidet sich die Geschäftsführung gegen eine Durchführung, so ist die Gesellschafterversammlung innerhalb eines Monats nach Ende des Alarmzustandes erneut einzuberufen.

Wurde zur Erstellung des Sitzungsprotokolls ein Notar bestellt, so kann dieser per Videokonferenz an der Sitzung teilnehmen.

Darüber hinaus wurden durch das Königliche Gesetzesdekret 8/2020 die folgenden Ausnahmeregelungen für die Erstellung, Prüfung und Genehmigung der Jahresabschlüsse eingeführt:

  • Die Frist zur Erstellung der Jahresabschlüsse, die in der Regel 3 Monate ab Ende des Geschäftsjahres beträgst, endet 3 Monate nach dem Ende des Alarmzustandes. Allerdings ist auch eine Erstellung während des Alarmzustandes zulässig.
  • Im Falle einer Erstellung der Jahresabschlüsse vor oder während dem Alarmzustand, wird die Frist für die Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer um 2 Monate verlängert, beginnend ab dem Ende des Alarmzustandes.
  • Die ordentliche Gesellschafterversammlung, die die Jahresabschlüsse zu genehmigen hat, muss innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf der Frist für die Erstellung zusammentreten, d.h. innerhalb von 6 Monaten nach Ende des Alarmzustandes. Die Frist zur Einreichung beim Handelsregister bleibt dagegen unverändert: diese beträgt nach wie vor 1 Monat ab Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung.
  • Der im Anhang zum Jahresabschluss beigefügte Vorschlag zur Ergebnisverwendung kann ersetzt werden. Ferner kann die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung auch von der Tagesordnung genommen werden.

Angesichts der finanziellen Folgen, die der Alarmzustand für die Wirtschaftsunternehmen hat, sind die folgenden Maßnahmen im Bereich des Gesellschafts- und Insolvenzrechts vorgesehen:

  • Wenn vor oder während des Alarmzustandes ein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Auflösungsgrund (insbesondere bei Verringerung des Nettovermögens auf weniger als die Hälfte des Stammkapitals infolge von Verlusten) eintritt, wird die Frist von 2 Monaten, die den Geschäftsführer zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, die über die Auflösung oder die Behebung des Auflösungsgrundes zu entscheiden hat, zur Verfügung steht, bis zum Ende es Alarmzustands ausgesetzt. Tritt der Auflösungsgrund während des Alarmzustandes ein, haften die Geschäftsführer nicht für die in diesem Zeitraum entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft (obwohl eine solche Haftung nach der allgemeinen Regelung nur bei Nichteinhaltung der Einberufungspflicht entsteht).
  • Während es Alarmzustands ist der zahlungsunfähige Schuldner nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Hierdurch wird verhindert, dass die Nichteinhaltung der 2-monatigen Antragsfrist dazu führt, dass die Insolvenz als schuldhaft eingestuft wird und dies eine Haftung der Geschäftsführer nach sich zieht. Hat der Schuldner dem Insolvenzgericht bereits mitgeteilt, dass Verhandlungen mit seinen Gläubigern eingeleitet wurden (“Vor-Insolvenzverfahren”), besteht keine Pflicht, während des Alarmzustands einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Aussetzung aller im Königlichen Gesetzesdekret vorgesehenen Gerichtsverfahren bedeutet jedoch, dass der Schuldner auch nicht in der Lage sein wird, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn er von dem Verfahren profitieren möchte.
  • Bis 2 Monate nach dem Ende des Alarmzustandes werden keine Insolvenzanträge durch Gläubiger zugelassen. Wird während dieser Zeit ein Insolvenzantrag durch einen Schuldner gestellt, so wird dieser vorrangig zugelassen, selbst wenn dieser zeitlich nach einem Gläubigerantrag gestellt wurde.

Schließlich wurden mit dem Königlichen Gesetzesdekret 8/2020 zwei außergewöhnliche gesellschaftsrechtliche Maßnahme von eher geringer Bedeutung eingeführt:

  • Während des Alarmzustandes können die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften ihr Recht auf Austritt nicht geltend machen.
  • Endet während des Alarmzustandes die satzungsmäßige Dauer der Gesellschaft, so wird die Gesellschaft erst zwei Monate nach Beendigung des Alarmzustandes aufgelöst.

(aktualisiert gemäß Königlichem Gesetzesdekret 11/2020 vom 31. März)

01.04.2020

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