Österreich: Force Majeure und Wegfall der Geschäftsgrundlage in Österreich

Wann entfällt die Pflicht zur Vertragserfüllung?

Grundsätzlich gilt auch in Österreich: pacta sunt servanda. Der Grundsatz der Vertragstreue kann jedoch wertungsmäßig in Konflikt geraten mit Situationen, in denen – aufgrund veränderter Umstände – das unveränderte Festhalten am Vertrag unzumutbar würde.

Während grundsätzlich jede Vertragspartei das Risiko von Umstandsänderungen, die in die eigene Sphäre fallen, selbst zu tragen hat, zeichnen sich Fälle höherer Gewalt dadurch aus, dass sie in niemandes Sphäre fallen. Klassische Fälle von höherer Gewalt sind Kriege, Terroranschläge oder wie zuletzt der Ausbruch von Covid-19.

Im österreichischen Recht gibt es keine Legaldefinition des Begriffs „Höhere Gewalt“ und keinen allgemein gültigen Grundsatz, wonach höhere Gewalt von der Pflicht zur Vertragserfüllung befreit. Wenn der Vertrag selbst diesbezüglich keine Regel vorsieht, ist allenfalls – als ultima ratio – auf das Rechtsinstrument des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ zurückzugreifen, welches in Ausnahmefällen die Anfechtung von Verträgen ermöglicht.

Wann kommt ein Rücktritt oder eine Anpassung des Vertragsverhältnisses in Betracht?

Sind die Parteien bei Vertragsschluss vom (unveränderten Fort-)Bestand geschäftstypischer Umstände ausgegangen, ohne diese – wegen der Selbstverständlichkeit – konkret im Vertrag zu bedenken, kann bei Wegfall dieser vorausgesetzten „Geschäftsgrundlage“ die Möglichkeit zur Aufhebung oder Anpassung des Vertrages bestehen.

Es muss sich um ein unvorhersehbares Risiko handeln, das der Sphäre keiner der Parteien zurechenbar ist. Höhere Gewalt – nach Lehre und Rechtsprechung „ein von außen einwirkendes elementares Ereignis, das auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war, und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist" – kann ein solches neutrales Risiko darstellen.

Das Instrument des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist jedoch umstritten und kommt nur selten und subsidiär zur Anwendung. Die Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtung ist vom Einzelfall abhängig, wobei idR Vertragsanpassung Vorrang vor Vertragsaufhebung hat.

Wie können künftige Vertragsverhältnisse optimalerweise gestaltet werden?

Um Streitigkeiten über Zurechnungs- und Haftungsfragen zu vermeiden, empfiehlt es sich, in Verträgen eine Bestimmung über „Höhere Gewalt“ (Force-Majeure-Klausel) zu vereinbaren, um so die unvorhergesehene Änderung von Umständen vertraglich durch eine Risikoverteilung einer Vertragspartei zuzuweisen.

Die vertragliche Ausgestaltung von Force-Majeure-Klauseln unterliegt der Privatautonomie. Force Majeure Ereignisse können generalklauselartig beschrieben oder explizit aufgezählt werden. Vertraglich kann auch vorgesehen werden, dass nicht nur unvorhergesehene, sondern sämtliche Umstände, die dem Einflussbereich einer Partei entzogen sind, als höhere Gewalt zu qualifizieren sind. Auch der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab und das Ausmaß etwaiger Abwendungspflichten (unter Abstufung der Zumutbarkeit) können festgelegt werden.

Als Rechtsfolgen werden idR Verständigungspflichten, Hemmung der Vertragsumsetzung, Rücktrittsrechte, Entfall der Leistungspflichten sowie Haftungsausschlüsse vereinbart.



Autor: Sebastian Hütter
Autor: Alexander Wöß